Franz von Papen by Möckelmann Reiner
Autor:Möckelmann, Reiner [Möckelmann, Reiner]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783805350471
Herausgeber: WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
„Heil Marburg“ – Goebbels und Papen verlassen das Hamburger Derby eine Woche nach Papens Marburger Rede und Goebbels‘ Verbot, den Redetext zu veröffentlichen.
Obwohl Jungs Redetext für Marburg laut Fritz Günther von Tschirschky vorab von Papen gebilligt worden war, wollte dieser ihn auf der Fahrt zur Universitätsstadt noch entschärfen.13 Ihm waren Bedenken gekommen, gewisse Formulierungen aufrechtzuerhalten. Sie könnten ihn Kopf und Kragen kosten, meinte Papen. Unter Hinweis auf den vorab verteilten Redetext und nach einem heftigen Disput konnte Tschirschky den Redner daraufhin von Korrekturen abhalten. In Papens Erinnerung war indessen eine andere ‚Wahrheit‘ haften geblieben: „Lange und sorgfältig hatte ich diese Rede vorbereitet, weil hier die geistige Prominenz Deutschlands versammelt war und ich das Ohr des deutschen Volkes haben würde.“14 Heinrich Brüning, Papens Vorgänger im Reichskanzleramt, verwies Papens ‚Wahrheit‘ über den Autor der Rede allerdings ganz in den Bereich der Dichtung: „Ich wurde aus bester Quelle informiert, dass Papen die Rede zwei Stunden vor der Versammlung zum ersten Mal las.“15 Auf mehreren Seiten mit Zitaten aus ‚seiner‘ Rede und den Reaktionen darauf in der „Wahrheit“ ausgebreitet, wollte der Autor der Nachwelt mit seiner Version ganz offensichtlich den frühen Widerständler Franz von Papen vermitteln.
Der Widerstandsgeist der „Seele des Papenschen Widerstandes“, Edgar Jung, war demgegenüber ausgeprägter und den Nationalsozialisten bekannter als derjenige des Namensgebers der Rede. Die Gestapo verhaftete Jung am 25. Juni 1934, verbrachte ihn in die Verliese der Prinz-Albertstraße, um ihn am 1. Juli zu ermorden. Drei Mitarbeiter des Vizekanzleramts wurden am 30. Juni inhaftiert und später freigelassen, wohingegen Papens politischer Referent Herbert von Bose im Büro des Palais Borsig von der SS sofort hingerichtet wurde. Die Gestapo verwüstete die Vizekanzlei und beschlagnahmte auch persönliche Akten Papens, die dieser nach mehreren Interventionen bei Hitler erst Wochen später und unvollständig zurückerhielt. Papen selbst stand auf Veranlassung von Göring in seiner Wohnung in der Berliner Lennéstraße 9 zwei Tage unter Hausarrest, abgeschirmt von der sogenannten ‚Grünen Polizei‘. Er hatte damit keine Gelegenheit, dem Reichspräsidenten die Hintergründe der Geschehnisse zu schildern. Erst auf Veranlassung Hindenburgs kam er am Abend des 2. Juli schließlich frei.
Es war nicht nur das große nationale und internationale Echo auf die Marburger Rede Papens, das ihn vor Schlimmeren behütete. Hitler und Goebbels hatten von der Rede noch am 17. Juni 1934 auf dem Gauparteitag der NSDAP in Gera erfahren. Ohne Papen beim Namen zu nennen, reagierte Hitler in seiner Ansprache prompt und verkündete: „Lächerlich, wenn solch ein kleiner Zwerg sich einbildet, durch ein paar Redensarten die gigantische Erneuerung des Volkes hemmen zu können.“16 Im Rückblick stellte Hitler später in einem seiner Monologe auf der ‚Wolfsschanze‘ zu den Ereignissen fest: „Papen war persönlich ein harmloser Mensch, aber unbewußt hat er alle die Burschen gegriffen, die etwas auf dem Gewissen hatten.“17
Dem ‚kleinen Zwerg‘ antwortete Hitler mit demütigenden Nadelstichen, beginnend mit der Ermordung des ‚Burschen‘ und Redenschreibers Edgar Jung. Seinem Propagandaminister Goebbels genehmigte er, die Zensur der Papen-Rede weiter aufrechtzuerhalten. Auch verzögerte er Papens Demission so lange, bis er nach der Mordnacht vom 30.6./1.7. dem Reichspräsidenten seine Version der Ereignisse und die Rolle der Vizekanzlei Papens im Vorfeld mitgeteilt hatte.
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